Sebastian Utzni

Einzelausstellung

The Logic of the System

30. März – 12. Mai 2023

Wir freuen uns sehr, Ihnen die zweite Einzelausstellung von Sebastian Utzni (*1981 Augsburg, DE) in unserer Galerie zu präsentieren. Sebastian Utzni ist ein Flaneur, der sowohl in der Populärkultur als auch in der Bildenden Kunst zuhause ist. Als konzeptueller Künstler beherrscht er viele Möglichkeiten der künstlerischen Arbeit. Diesmal entfaltet er in fünf verschiedenen Werkgruppen sein Universum und lädt uns ein, ihm zu folgen.

Werke

Ein an der Decke befestigtes grosses Schachbrett zeigt eine berühmte Position mit jeweils einem schwarzen Bauern und einem schwarzen König sowie ihren weissen Pendants, die als Gegenseitiger Zugzwang bezeichnet wird. Die Lage ist für die Person, die am Zug ist, aussichtslos. Die weissen Figuren sind mit Marmor, die schwarzen mit Basalt beschichtet. Auch das Spielbrett scheint aus Stein zu sein und gibt somit dem Schachbrett Würde und Schwere. Es sind gewichtige Figuren, die den Lauf der Welt bestimmen und doch unterliegen sie der Logik des Spiels

Mutual Zugzwang, 2023, Marmor, Basalt, Kunststoff, Holz, 82 x 290 x 290 cm

Serie Forms, 2023, Lasergeschnittener Museumskarton, gerahmt, je 29.7 x 21 cm

Neben dem Schachbrett hängen 20 A4 Kartons, die Formulare, Forms, wiedergeben die im Zusammenhang mit Fragen der Migration benutzt werden. Die Schrift auf den Formularen ist entfernt. Die feinsäuberlich ausgeschnittenen Elemente bezeichnen einerseits die Stellen, die von den Gesuchstellenden ausgefüllt werden müssen, anderseits geben diese die Umrisse der Logos der offiziellen Stellen wieder, von denen die Formulare stammen. Die Wappenform deutet auf ein Formular der Schweizerischen Eidgenossenschaft, das Hausdach verweist auf den Hauseigen-tümerverband, HSLU auf die Wirkungsstätte von Sebastian Utzni, die Hochschule Luzern. Weitere Logos sind erkennbar, aber nicht immer zu entschlüsseln. Die veränderten Formulare lassen an die minimalistische Konzeptkunst von Lawrence Weiner, Hanne Darboven oder Sol Lewitt denken.

Der mittlere Raum ist der Werkgruppe Back to the Future gewidmet. In dieser neuen konzeptionellen Malerei-Serie untersucht Sebastian Utzni die Verquickung zwischen der Unterhaltungsindustrie mit gesellschaftlichen und politischen Phänomenen, indem er Detail-Szenen aus Science-Fiction-Comics der letzten Jahrzehnte von 1970 bis 2000 – deren Geschichten aber genau im Jahr 2023 spielen – extrahiert und in Malerei auf in Form geschnittenen Holztafeln (in der klassischen Technik mittelalterlicher Altarbildmalerei) umsetzt.  

Installation view, series Back to the Future, 2023, oil on MDF

Die Motive stammen somit aus Zukunftsvisionen der Vergangenheit, die auf eine Zeit in der Zukunft blicken, in der wir jetzt aktuell leben. Es ist eine Zeit der medialisierten Rezeption. Die Absicht von Sebastian Utzni ist es, herauszuarbeiten, wie das binäre gut/böse Denken der Comics mit der komplexen Realität in Verbindung steht, bzw. uns in unserer Lesart aktueller Ereignisse prägt und beeinflusst. Indem Sebastian Utzni Versatzstücke der Popkultur appropriiert und adaptiert, führt er uns unsere selbst geschaffenen Bildwelten sowohl als Spiegel wie auch als Orakel vor Augen. Utzni versteht Back to the Future als Werk über Werke in ihrer Gegenüberstellung zur Wirklichkeit. Ihn interessieren die Berührungspunkte von Pop und realen Ereignissen. Alles lädt sich mit Fiktion auf und andersherum werden Visionen, Gedanken und Ereignisse in der Fiktion verarbeitet.

Installation view, series Back to the Future, 2023, oil on MDF

Installation view, series Back to the Future, 2023, oil on MDF

Wir Betrachtende der Bilder leben aktuell in einer hyperkomplexen Zeit, mit der wir permanent und in schnellen Wechseln durch digitale Medien visuell konfrontiert werden. Die Comics als Ausgangspunkt stammen aber aus der Zeit vor dem scheinbar ewigen Glanz omnipräsenter Bildschirme, in der Bilder eine Materialität besassen, endlich waren und alterten. In ihrer technischen Umsetzung tragen die Arbeiten der Serie Back to the Future die Vergangenheit noch in sich, ihre Geschichten sind aber im Jetzt gesetzt. Die Wirkmacht von antikomplexen Gut-Böse-Polaritäten hat in diesen Tagen die Comicseiten verlassen, um sich in den Herrschaftsetagen der Welt auszubreiten.

Back to the future (Force Works), 2023, oil on MDF, 65 x 80 cm

Back to the future (Sabre), 2023, oil on MDF, 65 x 80 cm

Back to the future (No Escape), 2023, oil on MDF, 25 x 65 cm

Back to the future (Lebensgier 1), 2023, oil on MDF, 20 x 42 cm

Back to the future (Lebensgier 5), 2023, oil on MDF, 80 x 56 cm

Back to the future (Die Geschichte der Unsterblichen 2), 2023, oil on MDF, 48 x 56 cm

Im Gang hört man die Anfeuerungsrede, Booster Speech, des rechtsliberalen Babbitt aus dem gleichnamigen Roman von Sinclair Lewis von 1922. Der Immobilienhändler und Prototyp eines kleinen Geschäftsmanns aus der fiktiven Stadt Zenith hält seine Rede, in der er die Ängste und Vorstellungen des weissen Amerika zu Beginn der 1920er Jahre verkündet anlässlich der Immobilienkonferenz in Zenith. Sebastian Utzni adaptiert die etwa 20 Minuten dauernde Rede und spielt nach einigen Minuten erste verhaltene Feuerwerkssalven ein, die sich im Fortlauf der Rede dermassen verstärken, dass die Aussagen von Babbitt nicht mehr zu hören sind. Somit konterkariert Utzni Babbitt‘s Vorstellungen, eines idealen Bürgers als der Standard des modernen Amerika.

Im hinteren Raum zeigt Sebastian Utzni seine ganze Könnerschaft im Medium des Farbholzschnitts, eine Technik die er bereits in der Serie der Conflict Landscapes von 2022 verwendete. Sieben Holzschnitte zeigen skandinavische Landschaften. Dies erstaunt zunächst. Weshalb gibt der Künstler diese Landschaften wieder? Die mit Darstellungen von einem Sofa, Schränken, Ordnern und weiteren Einrichtungsgegenständen gravierten Gläser geben einen Hinweis auf die Motivwahl des Künstlers. Der schwedische Möbel- und Einrichtungsriese IKEA benennt einen Teil seiner Kollektion nach skandinavischen Landschaften. Utzni hat nun die Landschaft im komplizierten Farbholzschnitt dargestellt, die dem jeweiligen Möbelstück, das graviert im Glas zu erkennen ist, den Namen gab. Die Naturlandschaften verleihen den industriell gefertigten Billigmöbeln den Namen und werden von Utzni auf intelligente Weise in mehrschichtige Bilder, den Ikea Landscapes übertragen.

Scandinavian Landscape (Romma), 2023, woodcut, etched glass, 51.7 x 81.6 cm

Scandinavian Landscape (Brimnes), 2023, woodcut, etched glass, 51.7 x 81.6 cm

Scandinavian Landscape (Asarum), 2023, woodcut, etched glass, 51.7 x 81.6 cm

Scandinavian Landscape (Kleppstad), 2023, woodcut, etched glass, 51.7 x 81.6 cm

Sebastian Utzni interessiert sich für die Rahmenbedingungen der Kunstproduktion und -rezeption. Seinen Bildfindungen gehen oft längere Recherchen voraus. Er ist ein Ideenkünstler, der medialen Verschiebungen nachspürt. Utzni untersucht die Grenzen zwischen Kunst und Leben, Politik und Wissenschaft. Seine Ausstellungen können als eine Beschreibung und Auslegung seiner Arbeitsweisen bezeichnet werden; dabei eröffnen sich in der genauen Betrachtung Verbindungen und komplexe Bezüge zwischen den einzelnen Werkgruppen.

Installationsansichten
 
Dokumentation